Nach und nach werden einem die kulturellen Unterschiede
immer bewusster. Manche Klischees sieht man bestätigt, andere nicht. Aber ich
glaube vieles nimmt man noch aus einem ganz anderen, deutschen Sicht wahr und
von Zeit zu Zeit ändert sich noch einiges. Was auch jeden Fall schon mal
auffällt, ist die Sache mit der Zeit. Termine. Bei uns in Deutschland besteht
jeder Tag aus einigen Terminen, manchmal sogar der ganze Tag. Wie oft hört man
sich doch stöhnen „von eine Termin zum nächsten“ ! Hier läuft das anders ab: es
gibt sie zwar, diese Termine, aber das heißt nicht viel. Uns wurde schon öfters
eine Uhrzeit genannt, zu der wir fertig sein sollen. Bereit zum Aufbruch haben
wir dann manchmal noch eine Stunde gewartet. Oder es wird von Anfang an keine
genaue Uhrzeit ausgemacht und als Deutscher fragt man sich dann, wie das
eigentlich funktionieren kann. Aber, hier funktioniert es wirklich!
Unpünktlichkeit bedeutet hier nicht Unzuverlässigkeit, sondern es wird
allgemein akzeptiert(ausgehalten). Ich spreche jetzt für Situationen im Alltag,
im Arbeits-und Schulleben kann das schon wieder anders aussehen. Was ich meine
ist, dass die Menschen auch einfach geduldiger und entspannter sind, denn es
ist nicht immer alles durchgeplant, sondern man lebt einfach im hier uns jetzt!
Es ist schon etwas gewöhnungsbedürftig und das ein oder andere mal auch
anstrengend, wenn man nicht weiß wann, was, wie....Andereseits dauert so auch
alles ein bisschen länger und wenn man diese Zeit nicht hat, dann könnten
Termine schonmal hilfreich sein....
Das nächste was mir auffällt, ist die Art und Weise sich
kennen-und/oder-lieben zu lernen. Es ist uns schon öfter passiert, dass wir mit
Menschen zusammen sitzen, deren Namen noch nicht mal unser Gastvater kennt,
obwohl sie seit zwei Stunden nebeneinandersitzen. Also Freunde werden
mitgebracht und es wird sich auch vorgestellt, aber manchmal sitzt man auch
einfach nebeneinander und unterhält sich über das Wetter. Aber diese sag ich
mal typischen „Kennenlern-Gespräche“ mit ganz vielen Fragen über Hobbys,
Schule, Freunde habe ich bisher kaum erlebt. Neugierde zeigen hier nur die
Kinder total offen. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir bisher kaum Leute
in unserem Alter kennengerlernt haben und vielleicht ist es bei den
Jugendlichen auch anders....Gestern zum Beispiel hab ich mit dem Freund eines
Freunden getanzt, der auch mehrere Stunden mit uns zusammen saß. Aber ich wir
wissen nicht einmal seinen Namen. Ich weiß auch nicht genau was es ist, aber
irgendwas läuft hier anders...Es finden einfach nicht so viele offene Gespräche
statt, wie das zum Beispiel bei uns beim Essen so wäre. Essen erlebe ich bisher
nur als 15 minütige Nahrungsaufnahme. Wir lernen in der Schule und Zuhause viel
zu reflektieren und die Fähigkeit ist auch immer wieder von Vorteil, wie ich
öfters festgestellt habe. Das habe ich hier noch nicht erlebt und ein bisschen
fehlt es mir auch. Ja gut, jetzt bin ich erst zwei Wochen hier, also was weiß
ich schon. Vielleicht denke ich das auch nur, weil ich deren Sprache nicht
fließend sprechen und verstehen kann. Es ist schwierig, das nicht nur kritisch
zu sehen, wenn man die Vorteile kennt. Diese fremde Mentalität ist einerseits
interessant, aufregend und total toll, aber auch schwierig zu begreifen. Ich
glaube, dass ist einer der größten Herausforderungen.
Die „fehlenden“ Anfangs-Kennenlern-Gespräche bedeuten hier
allerdings nicht, dass man sich nicht doch sympathisch finden kann. Ich hatte
gestern erst eine komplizierte Diskussion über wahre Liebe.^^ Ein Freund von
unserem Gastvater, 25 oder so, hat mir ernsthaft versucht klar zu machen, dass ich ihm sehr gefalle und wir
zusammen sein sollten. Denn das geht hier schneller als bei uns. Heikles Thema.
Ich hab ihm versucht zu erklären, dass man sich in meiner Kultur erst
kennenlernt und für gewöhnlich danach ein Paar wird. Oder hab ich da was
missverstanden? Jedenfalls war es nicht sehr einfach das richitg zu erklären,
denn verstanden hat er es nicht, glaube ich. Außerdem kam er dann mit dem
Argument, dass wir ja ein Jahr Zeit haben um uns kennenzulernen...Das kann ja
auch schön und gut sein, aber wie schon erwähnt, versuchen wir Deutschen uns
oft im Planen der Zukunft, weswegen meine Familie, meine Freunde und ich uns
auch einig darüber waren, dass ich nicht heirate oder einen Freund
mitbringen.^^ Ich hoffe, meine Überzeugungskraft reicht aus, ihm ein „nein“
klar zu machen, denn die Diskussion ist noch nicht ganz ausgestanden.
Soviel erstmal dazu.
Bescheidenheit oder Sparsamkeit ist auch eine schwierige
Sache. Denn die Menschen hier sind so gastfreundlich, dass es garnicht so
einfach ist sich zurückzuhalten ohne beleidigend zu sein. Wir möchten nunmal
nicht direkt drei Colas bestellen oder den anderen das Essen wegessen, aber
wenn wir freundlich ablehnen, sehen die Leute hier nicht so glücklich
aus....Aber mit ein paar einfachen Tricks kommt man auch damit irgendwie klar.
Wir trinken zum Beispiel unsere Cola extra langsam, damit sie nicht denken wir brauchen
eine Neue, um unseren Drust zu stillen. Oder wir lassen einen Löffer auf dem
Teller übrig, dann glauben sie uns auch, dass wir wirklich satt sind.
Es gibt auch einiges, was ich hier bewundere und was mir in
Deutschland nicht so auffällt. Die Menschen haben schon ein anstrengenderes
Leben als bei uns. Um wohlhabend zu sein muss man eigentlich den ganzen Tag
arbeiten und viel körperlich schuften. Sogar als Kind. Und trotzdem ist die
Stimmung auf den Straßen eine viel bessere als bei uns. Man ist nicht so
schnell genervt und lernt einfach total viele nette, gastfreundliche Menschen
kennen. Die Menschen zeigen Interesse und fragen wirklich, wie es einem geht!
Es soll nicht heißen, dass hier alle Menschen glücklich sind und alles schön
ist...aber jeder bemüht sich und das merkt man. In unserem Haushalt bekocht
Marie jeden Tag die ganze Familie. Das ist echt ein Knochen-Job und vielleicht
kennt sie es auch nicht anders. Und so
geht es hier vielen Frauen. Aber alle freuen sich, wenn man ihr Essen lobt, es
wird hier viel gelacht und getanzt. Das nicht alles immer kritisch betrachtet
wird kann auch ein Vorteil sein. Dabei wissen die Menschen hier auch wie es
z.B. in Europa ist, denn es wird auch viel Fernsehn und dergleichen geguckt.
Aber die Menschen beschweren sich nicht die ganze Zeit oder bemitleiden sich!
Man freut sich über Kleinigkeiten und hat viel Spaß und das sieht man den
Menschen hier auf der Straßen an.
Ich hoffe ihr konntet mir jetzt in irgendeiner Weise folgen,
denn es ist garnicht so einfach seine Gedanken mal eben aufzuschreiben...:)
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